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NORWEGEN · OFFERSØY · VESTFJORD

von Frank Resagk

Nicht wir gehen zu den Orcas – die Orcas kommen zu uns…

Einige Tage sind wir nun unterwegs im Vestfjord, um die Orcas zu finden. Nicht optimales Wetter in den ersten Tagen lies die Suche erschweren und es war schwierig die Rückenfinnen auszumachen. Einige verstreute Gruppen waren zu sehen und es gelang uns, sich ihnen zu nähern. Die Familien waren auf der Suche nach den Heringsschwärmen. Elegant und zügig gleiten diese hochintelligenten Tiere durch den Vestfjord. Wir bleiben dran und können die ersten Fotos schießen.

Von Minute zu Minute ändert sich das Wetter auf dem Vestfjord und nun wissen wir, warum der Trocki oder warme Thermoanzüge wichtig sind.

Endlich ist es soweit, 3 Stunden Suchfahrt zahlen sich aus. Wir kommen nah genug an eine Gruppe heran und folgen ihnen langsam, im akzeptablen Abstand, damit sie sich nicht gestört fühlen. Viele halbwüchsige Tiere sind zu sehen, deren Größe wir mit ca.2,5-3,5m Länge schätzen. Plötzlich taucht ein großes Schwert aus dem Wasser. Eine 1,60m große Rückenfinne ist in nur 10m Abstand zum Boot zu sehen. Zwei- bis dreimal zieht der Bulle seine Bahn, um dann wieder für einige Minuten abzutauchen. Wir schätzen dieses Männchen auf 5-6m Länge. Alle Teilnehmer auf unserem Boot schießen viele Fotos und im Nu ist die Gruppe abgetaucht und bleibt unter Wasser. Nun heißt es wieder warten und Ausschau halten. Wir haben Glück, die Gruppe Orcas bleibt nur 5 Minuten unter Wasser und einer an Bord ruft: „Orcas 2 Uhr in 500“. Auf geht’s, langsam die Herde anfahren und nicht beim Durchstreifen des Vestfjordes stören. Wir haben ein zweites Mal Glück und können diese Gruppe wiederum begleiten.

Es frischt auf und fängt an zu regnen. Die Wellen werden höher und es ist auch Zeit wieder nach Offersøy, unserem Stützpunkt, zurückzukehren. Um 16.15 Uhr legen wir wieder an und es ist dunkel. Auf geht’s, die Fotos und Filme zu sichten.

Nachdem wir mit der Ausbeute der Fotos fürs erste zufrieden sind, hoffen wir auf das versprochene, bessere Wetter laut Vorhersage. Tatsächlich, der nächste Morgen ist windstill. Keine Wellen zu sehen. Mal sehen wie es draußen im Vestfjord aussieht? Nach ausreichendem, gemütlichem Frühstück starten wir den Motor des Finnmasters um 08.00 Uhr. Nach 8 Minuten Fahrt stoppen wir und stehen mitten auf dem Vestfjord. Absolut ruhiges Wetter, keine Wellen, optimale Voraussetzungen, so dachten wir am frühen Morgen und alle hoffen, dass es so bleibt. Wir suchen den Vestfjord nach allen Himmelsrichtungen ab, um den Blas zu sehen oder sogar die Rückenfinnen der Orcas auszumachen. Weiter 30 Minuten Suchfahrt und endlich haben wir eine Gruppe gesichtet. Wir fahren diese an und nähern uns wieder. Noch suchen sie, aber wir sind sicher, heute wird ein guter Tag. Plötzlich stoppt die Gruppe und beginnt mit der Jagd. Wir machen uns fertig und warten auf den Absprung. Vom Skipper Marco kommt das Signal „Fertig machen“, alle sind bereit sich behutsam ins Wasser gleiten zu lassen. Dann der Ruf „Leerlauf“ und es geht los. Rein ins Wasser und an der Oberfläche liegen bleiben und warten. Die Orcas jagen, viele Schuppen von den Heringen treiben im Wasser und es sieht aus, als wenn unter Wasser Schneetreiben herrscht. Plötzlich sind sie da. Jungtiere und Halbwüchsige nähern sich und wir werden gemustert und begutachtet.

Alles aus 2-4m Entfernung. Einfach unglaublich und faszinierend.

Da wir nicht in das Beuteschema passen, denkt sich der Orca: „ach die schon wieder“ und taucht ab, um seine Jagd nicht weiter zu unterbrechen.

Da, ein großer Schwarm Heringe schwimmt unter uns, schnell sind die Orcas zur Stelle und schlagen mit ihrer mächtigen Fluke. Viele Heringe taumeln und nun beginnen die Schwertwale an zu fressen. Kreuz und quer, von links oder rechts, oben und unten, sind sie da. Nach wenigen Sekunden ist alles vorbei und wir sind allein, umgeben von vielen „Schneeflocken“. Wir geben das verabredete Zeichen zum Boot: „Abholen bitte“. Auf ein Neues.

Dieses Glück soll uns in den nächsten 2 Tagen begleiten und jeder hat die Möglichkeit mehrmals die Schwertwale life, aus nächster Nähe im Wasser zu erleben. Grandios.

Draußen auf dem Vestfjord oder in nur 5-6 km Entfernung von unserer Basis Offersøy, können wir das Treiben der Schwertwale miterleben, das kann man nicht mit Worten wiedergeben, man muss es erlebt haben. Den krönenden Abschluss diese Tage, mit optimalen Bedingungen, erleben wir mit einem farbenfrohen Sonnenuntergang. Es ist 15.35 Uhr. Wir genießen die letzte halbe Stunde und fahren dann zur Basis zurück.

Das Auswerten der Fotos bringt dann Überraschungen: Es ist ein Vielfaches von gutem Bildmaterial entstanden.

3 Tage stabiles, ruhiges Wetter. So hatten wir die Zeit, die Schönheit und Faszination dieser Gegend (Vestfjord mit Blick zu den Lofoten und Vesterålen) kennen zu lernen und zu genießen. Durch die ruhige Wetterlage, war es uns möglich mehrmals zu den Schwertwalen ins Wasser zu gehen und das Treiben aus nächster Nähe zu beobachten. Ein seltenes Schauspiel war dann Tilo und Florian vorbehalten. Wir sahen am Horizont einen sehr hohen Blas. Also auf in diese Richtung. Mit dem Fernglas konnten wir Finnwale ausmachen. Souverän steuerte Marco den Finnmaster bis auf 15m Entfernung, parallel heran. Die Geschwindigkeit wurde angepasst und alle machten sich fertig, um ins Wasser zu gehen. Zu spät, die Finnwale tauchen ab und nun heißt es warten und hoffentlich behalten die Finnwale ihre Richtung bei. Wir hatten Glück, nach 7-8 Minuten sind sie wieder an der Oberfläche, um neu tief durch zu atmen. Das Boot wird in einiger Entfernung vor den Finnwalen gestoppt. Motor aus und rein ins Wasser. Da kommen sie und tauchen direkt vor Tilo und Florian in die Tiefe ab. Unter uns sind ca. 450-500m Wassertiefe. Es dauert nur Sekunden und es ist ein ca. 15-18m großer Finnwal in nur 5m Entfernung abgetaucht. Tilo ruft zum Boot: „Wauh, ein U-Boot ist gerade vorbei gekommen“.

Ein grandioser Sonnenuntergang beendet den Tag und wieder haben wir 30 Minuten Rückfahrt nach Offersøy vor uns.

Es soll kälter werden und damit bleibt das Wetter stabiler, d.h. wenig Wind. Am nächsten Morgen schauen wir aus dem Fenster und sehen einen herrlichen Sonnenaufgang. Minimaler Wind und keine Wellen, nur leicht bewegtes Wasser. Frühstücken, Foto- und Filmausrüstung checken und dann geht es raus auf den Vestfjord in Richtung Tysfjord. Am Abend sahen wir dort viele Heringsfischer und wir erwarten dort die Orcas. Wir brauchen nicht lange zu fahren und schon sehen wir die ersten Finnen aus dem Wasser auf- und abtauchen. Sie ziehen zum Tysfjord. Es vergehen 2,5 Std. bis nun die Gelegenheit kommt, zum Schnorcheln ins Wasser zu gehen. Die Orcas sind beim Jagen. Es ist eine kleine Gruppe mit 6-8 Tieren. Genau lässt sich die Gruppe nicht zählen, da immer wieder an unterschiedlichen Stellen im Umkreis von 20m zum Boot, die Finnen aus dem Wasser stechen. 2 Schnorchler sind im Wasser und geben immer wieder Zeichen, dass die Orcas direkt unter ihnen jagen. Nach 8-10 Minuten ist alles vorbei und die Gruppe ist abgetaucht. Wieder rein ins Boot suchen und warten bis eine neue Gruppe zu sehen ist.

Da der Tysfjord kleiner gegenüber dem Vestfjord ist, ist es an diesem sonnigen Tag einfacher mit der Suche. Es sind nun auch die Boote mit anderen „whale-watchern“ da (Gäste aus Schweden, Holland, Norwegen, Russland).

Hier herrscht ein ungeschriebenes Gesetz, welches besagt: wer zuerst an einer Gruppe dran ist, der hat Vorrecht. Es müssen sich andere Boote hinten anstellen und abwarten oder eine neue Gruppe suchen. Alle halten sich daran und so kann jeder mit tollen Fotos und auch Erlebnissen beim Schnorcheln, nach Hause fahren.

In den nächsten und letzten Tagen unserer Orca-Tour 2005 haben wir das Glück, mit mehreren, kleinen und großen Orcagruppen im Wasser sein zu dürfen.

Die Orcas leben hier in Nordnorwegen in freier Natur. Es sind keine angefütterten Tiere, die wie Zootiere immer am selben Standort anzutreffen sind. Wir mussten teilweise auch 2-3 Tage abwarten, um an ihnen heranfahren zu können. Die Gelegenheit zu bekommen, dann die hochintelligenten Tiere von der Wasseroberfläche beim Jagen in nur 2-3m Entfernung vom Schnorchler oder auch direkt unter unserem Boot aus beobachten zu können, ist ein grandioses Naturschauspiel hier in Nordnorwegen. Es war nicht eine gefährliche Situation dabei, selbst wenn der Orca mit Hering im Maul auf uns zu geschwommen kam. Er sah uns an und verschwand dann wieder.

Grundsatz: Nicht wir gehen zu den Orcas – die Orcas kommen zu uns

Wir haben diese Regel befolgt und fantastische Tage und Momente erlebt. Wenn keine Möglichkeiten gegeben waren, uns ihnen zu nähern, so konnten wir viele Seeadler und natürlich unzählige von Möwen bei der Jagd nach dem Hering beobachten. Der krönende Abschluss war dann noch eine Gruppe von Robben, die ebenfalls über und unter Wasser beobachtet werden konnte.

Am Abend in die Sauna, die Spezialitäten des Nordens probieren, sowie natürlich die vielen selbst geangelten Fische zu grillen und nicht zu vergessen an sternenklaren Abenden, das Nordlicht in verschiedenen Farben betrachten zu können, das sind bleibende Erinnerungen.

von Frank Resagk
© NORWAY-TEAM-FRANK, Frank Resagk
Fotos: Jürgen Langerbein